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Simply Banking

Ich hatte ja schonmal erwähnt, dass ich einen bekannten habe, der blind ist und den ich am Computer betreue. Er macht schon seit einer ganzen Weile Online-Banking am PC, was für ihn eine große Hilfe und Erleichterung ist.

Leider sind eine ganze Reihe Banking-Programme nicht barrierefrei. Allen voran das StarMoney (damals in Version 4, danach nicht mehr getestet), was von der Sparkasse Bremen angeboten wird. Die Benutzeroberfläche dort ist irgendwie seltsam in HTML o.ä. aufgebaut, jedenfalls für seinen Screenreader absolut nicht zu verstehen.

Er hat dann eine ganze Zeit mit Wiso Mein Geld gearbeitet, was auch nicht optimal war (viele Aktionen nicht per Tastatur oder Shortcut zu erreichen, das Menü nicht "hörbar"), aber immerhin soweit brauchbar.

Aufgrund unglücklicher Umstände (längere Geschichte) hat dieses Programm allerdings nun auch das zeitliche gesegnet, so dass etwas neues her musste.

Gefunden hatte ich Subsembly Banking. Es ist laut eigenen Angaben in Zusammenarbeit mit einer Firma barrierefrei gemacht worden. Es ist soweit auch recht brauchbar und es wurden schon viele Shortcuts eingebaut. Das Problem ist wohl der etwas in die Jahre gekommene Screenreader meines Bekannten. Richtig perfekt war das nämlich immer noch nicht. Beschreibungstexte von Textboxen wurden nicht erkannt, der Saldo war für ihn nicht hörbar, die Navigation etwas umständlich usw.

Da ich ja Softwareentwickler bin, wäre es prinzipiell kein Problem, ein auf ihn und seinen Screenreader zugeschnittenes Programm zu schreiben. Das Problem dabei ist allerdings die Kommunikation mit der Bank. Das HBCI-Protokoll selbst zu implementieren dürfte nicht ganz einfach und sehr aufwändig sein. Zum Glück habe ich dann aber gesehen, dass Subsembly auch eine API anbietet, die sogar für Microsoft's .Net ist. Dazu für den privaten Gebrauch noch kostenlos. Damit war dann das Problem der Kommunikation gelöst und ich konnte mich ans Werk machen, eine Banking-Software zu schreiben.

Wichtige Punkte dabei waren z.B.
- alle wichtigen Funktionen per Tastatur-Shortcut zu erreichen
- Nutzung von standard Steuerelementen, damit der Screenreader alles korrekt erkennen kann
- klare und eindeutige Beschriftung der Felder
- umwandeln sämtlicher Buchungstexte in Kleinbuchstaben

Letzteres ist z.B. wichtig, damit der Screenreader die Buchungstexte (z.B. Rechnung 4711 von Mueller) vorlesen kann. Wenn die Texte nämlich in Großbuchstaben sind, buchstabiert er sie automatisch: "R E C H N U N G" usw. was natürlich mühsam zu verstehen ist und unnötig lange dauert.

Mitlerweile funktioniert alles von ihm benötigte (mehr als Buchungen anschauen und Überweisungen tätigen braucht er in der Regel nicht) schon recht gut. Quasi fast fertig. Jetzt muss er mal genauer testen, ob er damit zurecht kommt oder wo noch Anpassungen zu machen sind.

Es ist also ganz spannend, sich zum einen mal mit der Materie Online-Banking auseinander zu setzen und zum anderen, die Welt einfach mal "mit anderen Augen zu sehen" (oder eben auch nicht). Denn auch wenn diese "Zielgruppe" wohl relativ klein ist, gibt es diese Menschen und es ist eigentlich sehr schade, dass man sowas so oft vergisst...

Blind Dinner

So, am Freitag war es endlich soweit und wir konnten den Rest meines Geburtstagsgeschenkes an meine Freundin einlösen.

Wir waren im Bremer Universum zum "Dinner im Dunkeln".

Ich fand sowas schon immer interessant, jedoch hatte mich der Preis bisher etwas abgeschreckt. Aber als besonderes Geburtstagsgeschenk war es es dann mal wert.

Für meine Freundin war es eine Überraschung, sie wußte nur dass es ein "besonderes Dinner" wird. Und selbst als wir am Universum ankamen, wußte sie noch nicht, um welche Art von Dinner es sich handelt. Sie hatte sich zwar etwas gewundert, dass ich gesagt hatte, sie müsste sich nicht sooo schick machen, aber ich wollte ja auch nicht verraten, dass es nachher beim Essen eh keiner sieht, was sie an hat. :-)

Das ganze war jedenfalls sehr spannend und eine super interessante Erfahrung. Zuerst gab es zur Begrüßung einen Sekt und ein paar Gegenstände aus dem Leben von Sehbehinderten oder Blinden, wie der Blindenstock, Brettspiele etc. zu begutachten.

Danach wurden wir dann auch schon unserem sehbehinderten (5% Restsicht) Betreuer zugewiesen, der uns im Entenmarsch (Hand auf die Schulter des Vordermanns) in den Dinner-Raum geführt hat. Darin war es natürlich stockdunkel. Die Türspalten waren abgeklebt und der Haupteingang wurde durch mehrere dunkle Vorhänge abgeschottet, so dass man wirklich nichts erkennen konnte.

Wir hatten einen angenehm kleinen 4er-Tisch am Rande des Raumes, wo es dann nicht so laut war und man auch ein paar interessante Gespräche mit dem Betreuer führen konnte.

Somit gab es dann im Dunkeln ein drei Gänge Menü. Und das ist wirklich gar nicht so einfach... wenn man nicht sieht, was man tut... die Vorspeise habe ich noch mehr mit den Fingern und der Gabel gegessen. Ich war kurz davor, komplett mit den Fingern zu essen, sieht ja keiner. :-D

Beim Hauptgericht habe ich dann größtenteils mit Messer und Gabel gegessen. Vermutlich die optimale Lösung, um abzunehmen, so oft wie ich mir die leere Gabel in den Mund gesteckt habe...
Aber auch interessant, wie man sich doch auf seine Sinne und Gewohnheiten verlassen kann, habe ich beim Schneiden des Fleisches gemerkt. Man konnte ja nicht sehen, wo es liegt oder wie groß es ist. Also "irgendwo" rein gepiekst und wie üblich vor der Gabel abgeschnitten. Als ich dann die Gabel anhob, merkte ich vom Gewicht her allerdings, dass ich trotz abschneiden noch immer ein "halbes Schwein" an der Gabel hatte. Also nochmal an der anderen Seite schneiden usw.

Das Dessert war dann relativ einfach, weil es eine in einem Glas servierte Creme war, die man nur löffeln brauchte.

Auch waren wir an unserem Tisch recht gut mit dem heraus schmecken, was wir dort gegessen haben. Wenn man das nämlich nicht sieht, ist es gar nicht so einfach. Dazu kam, dass recht ausgefallene Dinge dabei waren, wie Spinat-Pannacotta, Kartoffelstroh und Kichererbsen.

Hinterher durfte man sich dann natürlich im Hellen anschauen, was man da gegessen hat und wie es aussah. Außerdem auch, wie der Raum aussah.

Genauso hat man dann seine Tischnachbarn nochmal genau anschauen können. Man hat sich zwar vorher bei der Zuteilung der Gruppe kurz gesehen, aber da hatte man die beiden nur kurz von hinten gesehen und dann ging es ja schon ins Dunkle. Jedenfalls ist es halt echt interessant, wie man sich Leute oft doch ganz anders vorstellt (kennt man vielleicht höchstens aus dem Berufsleben, wo man mit Leuten nur per Telefon/Mail kontakt hat und dann irgendwann mal persönlich kennen lernt), aber auch wie unvoreingenommen man plötzlich ist, wenn man sich keine optischen Vorurteile bilden kann.

Ich habe ja bereits ein wenig Erfahrung im Umgang mit Blinden, weil ich einen blinden Bekannten am PC betreue, wenn er Probleme beim Onlinebanking, eMails schreiben o.ä. hat. Somit ist man für gewisse Dinge schon sensibilisiert. Aber trotzdem ist es natürlich völlig neu, so eine Erfahrung mal selbst zu machen.

Also auch wenn es nicht ganz billig ist, kann ich so etwas nur jedem empfehlen. Die sind übrigens immer schon recht gut ausverkauft, also schnell noch einen Termin sichern!

Nachtrag:
Was ich noch vergessen habe zu erzählen: Auch sehr interessant war das Thema "Suggestion". Machte sich beim Dessert bemerkbar. Ich hatte natürlich erstmal ein wenig gefühlt, was mich da erwartet. Und zu fühlen war, dass es oben mit "Krümeln" garniert war. Beim Ablecken der Finger schmeckte es dann für mich irgendwie nach Kokos und passte auch von der Konsistenz her.
Kurze Zeit später verkündete aber die Tischnachbarin, dass ja Schokostreusel oben drauf wären. Und auch meine Freundin stimmte zu "Ja, Schokostreusel". Und plötzlich passte auch für mich der Geschmack zu Schokostreusel.
Die große Überraschung gab es dann beim Betrachten der Speisen im Hellen: es waren Pistazien-Splitter!